Die Geister der Riesen werden sein wie Wolken, welche bedrücken, verderben, fallen, streiten und verletzen werden auf Erden. Sie werden veranlassen Wehklage. Keine Speise werden sie essen, und sie werden dürsten; sie werden verborgen sein und nicht immer sollen sich erheben die Geister gegen die Söhne der Menschen und gegen die Weiber; denn sie kamen hervor während der Tage des Blutvergießens und der Vernichtung (...)
Sie haben den Anschein der Engel, sind aber in Wahrheit Hungergeister.

Hungergeister kommen vor in verschiedenen Texten des Buddhismus, Taoismus, Hinduismus, Sikhismus, und Jainismus. Meistens werden sie als Untote dargestellt, die von unstillbaren Begierden gequält werden, wie Hunger oder Durst, als Straffe für Vergehen und böse Absichten begangen zu ihren Lebzeiten. Eine Form von Hungergeister ist auch in den alttestamentarischen Apokryphen vorzufinden. Erwähnt im Buch Henoch, das uralte Hebräische Mythen zum Ursprung der Dämonen und Riesen beinhaltet, sowie Legenden über die gefallenen Engel, die Sintflut, die Prophezeiung über die tausendjährige irdische Friedensherrschaft Christi nach seiner Wiederkunft, und die bevorstehende Apokalypse, es beschreibt auch die Nephilim, oder Grigori, was so viel bedeutet wie die Wächter1. Nephilim überlebten die Sintflut als körperlose Geister, verdammt dazu für alle Ewigkeit auf Erde zu bleiben und für immer Hunger und Durst zu leiden. Sie werden beschrieben als zahllose Soldaten von menschlichem Anschein – „ihre Größe soll gewichtiger als die von den größten Riesen sein“, und als Grigori „die zusammen mit ihrem Prinz Satanail, den Herr des Lichtes ablehnten“. Manche „gingen herunter zur Erde vom Thron des Herren“, heirateten Menschenfrauen und „beschmutzten die Erde mit ihren Missetaten“. Grigori und ihre Nachkommen, die von der Verbindung der Grigori mit den Menschen entstammten, wandern auf Erde für Ewigkeit, verlangend nach Essen und Trinken, obwohl sie keinen Mund zum Essen und Trinken haben. In der modernen Psychologie sind die Hungergeister eine Metapher für psychisches Leiden, das Gefühl der Leere, und für Sucht. Hungergeister sind unruhige Seelen, gequält von mächtigen Begierden, die unstillbar sind. Sie suchen besonders die Menschen heim, die auf die Welt mit dem Gefühl der Leere und der Unzulänglichkeit kamen. Psychisches Leiden und tiefe Traurigkeit, entstanden infolge des Gefühls ungeliebt zu sein, ein Leben abgelöst von den anderen zu führen, ohne Erfüllung, Bewusstsein und Bedeutung. Ergriffen von Wut und Begierde, sie sind unglückliche Seelen von großer Gewalt und verborgener Tiefe. Sie suchen nach einem Ersatz um die Leere in ihnen zu füllen; sei es Alkohol, Essstörungen, Drogenabhängigkeit, Perfektionismus. Aber es ist nicht Hunger und Durst, das sie leiden, es sind die unsichtbaren Monster von Angst und Schmerz, die sie verfolgen. Manchmal werden sie von ihren Ahnen geerbt, denn unsere Kinder übernehmen unsere Schatten. Es ist eine Erzählung darüber, wie ihre Geschichten in unseren Körpern weiterleben, über gefallene Engel und über den Ursprung des Bösen.

Aneta Panek ist Filmemacherin und Performance Künstlerin und erforscht in ihren Arbeiten, die Notwendigkeit der Visualisierung und assoziativer Spekulation im Prozess der Formulierung von Theorien, sowie den neuen performativen Formaten des Wissens. Zusammenarbeiten mit einer Vielzahl namhafter Künstler*innen, u.a. Robert Wilson, Barrie Kosky, Max Raabe, Simone Kermes, FM Einheit und Dieter Meier; ihre Arbeiten und Produktionen wurden u.a. in New York, Osaka, Tokyo, Seyðisfjörður (Island), London, Venedig und Berlin gezeigt.


Tanz, Choreographie Yoriko Maeno Musik Makoto Sakamoto, Katja Kettler & E.L.L.I. Konzept, Regie Aneta Panek